Die Beratungswelt erlebt eine tiefgreifende Transformation. Noch vor wenigen Jahren war die Erstellung von Analyse, Frameworks und Vorgehensmodellen ein aufwendiger, zeitintensiver Prozess, der hohe Professionalität und Expertise voraussetzte. Beraterteams investierten viel Zeit darin, komplexe Inhalte zu schaffen und eine konsistente Storyline zu entwickeln – ein Prozess, der oft als Qualitätsindikator galt.

Generative KI verändert das Spielfeld

Doch mit dem Aufstieg generativer KI hat sich das Spielfeld grundlegend verändert. Inhalte, Analysen und Frameworks entstehen heute in Minuten. Die vermeintliche Knappheit von Wissen ist passé – Content wird zur Commodity. Entscheidend ist nicht mehr die reine Inhaltserstellung, sondern die Fähigkeit, diese Inhalte wirkungsvoll umzusetzen und nachhaltig zu verankern.

Beispiel: EMIR-Umsetzung

Ich erinnere mich gut an ein Projekt vor einigen Jahren, als ich bei einem Kunden die Auswirkungen von EMIR analysiert habe – mit Blick auf Geschäftsmodell, Produkte und Prozesse. Das Gesetz auseinanderzunehmen war der erste Schritt. Doch die eigentliche Herausforderung begann danach: zahllose Abstimmungen mit Fachbereichen, mit dem Management und mit internationalen Einheiten.

Fragen wie:

  • Woher kommen die relevanten Daten?
  • Wie berechnet sich der Schwellenwert?
  • Ist die Datenqualität konsistent und belastbar?
  • Welche Transaktionen sind meldepflichtig?

Genau hier zeigt sich: KI kann Gesetzestexte heute schnell analysieren, aber die Interpretation, die Anpassung an individuelle Unternehmenssituationen und die Verankerung in komplexen Strukturen bleiben menschliche Aufgabe.

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Breitere Anwendungsbeispiele

Weitere Beispiele bestätigen diesen Wandel. In der Rechtsberatung liefert KI heute belastbare Vertragsentwürfe, die Juristen nur noch prüfen und verfeinern. Bei der Analyse regulatorischer Anforderungen lassen sich Auswirkungen auf Geschäftsmodelle, Prozesse und Organisationen deutlich schneller ableiten, weil relevante Best Practices bereits verfügbar sind. Und in der Softwareentwicklung wird KI zum globalen Wissensspeicher – eine Best-Practice-Bibliothek, die jahrzehntelang propagierte Standardisierung plötzlich real und bezahlbar macht. Damit wandelt sich Beratung zunehmend zu einem umsetzungsorientierten Service. Sie wird zur institutionalisierten Absicherung und zur nachhaltigen Begleitung von Veränderungsprozessen.

Auswirkungen auf das Geschäftsmodell

Für das Geschäftsmodell Beratung ergeben sich daraus klare Implikationen. Stunden- und Tagessätze geraten unter Druck. Große Beratungsgesellschaften behaupten sich über ihre Rolle als externe Validierungsinstanz. Parallel entstehen neue Formate: KI-native Beratungen mit schlanken Teams sowie asset-based Consulting, bei dem Tools und Softwareprodukte als skalierbare Assets monetarisiert werden.

Herausforderungen für Freelancer

Für Freelancer ist der Druck besonders hoch. KI reduziert klassische Tätigkeiten, gleichzeitig fehlt die Corporate-Brand, die große Häuser nutzen, um Vertrauen und Validierung zu verkaufen. Viele Projekte werden inzwischen nur noch mit 30–50 % Auslastung ausgeschrieben – was das klassische Modell „Zeit gegen Geld“ zunehmend infrage stellt.

Der Schlüssel: Differenzierung

Die einzige Antwort liegt in einer klaren Differenzierung. Erfolgreich sind jene, die sich gezielt spezialisieren, sichtbar positionieren und eigene Assets aufbauen. Spezialisierung auf Themen, in denen KI unterstützen, aber nicht ersetzen kann – etwa komplexe regulatorische Umsetzung, strategische Entscheidungsunterstützung oder Transformation in Organisationen. Positionierung als erkennbarer Experte für ein spezifisches Problem, der gezielt beauftragt wird. Und der Aufbau von Assets – sei es durch methodische Templates, proprietäre Tools oder skalierbare Produkte, die nicht an Verfügbarkeit von Zeit gekoppelt sind. So wird aus reiner Zeitabrechnung ein Modell, das auf Expertise, Unverwechselbarkeit und Skalierbarkeit basiert. Nur so können Freelancer ihre Nähe zur operativen Umsetzung und ihr tiefes Expertentum in einen echten Wettbewerbsvorteil verwandeln.

Fazit

Beratung verlagert sich von der Exklusivität der Analyse hin zu einem Modell, in dem Lieferfähigkeit, Glaubwürdigkeit und Transformationskompetenz die entscheidenden Differenzierungsfaktoren sind. Für große Beratungshäuser bedeutet das Absicherung durch Marke und Validierung. Für Freelancer bedeutet es: Spezialisierung, klare Positionierung und der Aufbau eigener Assets.